Vielleicht liegt es daran, dass ich wirklich Fortschritte mache. Vielleicht auch daran, dass das große Bedürfnis spüre, endlich etwas positives in den Blog schreiben zu wollen. Letztendlich ist es mir aber egal, warum. Wichtig ist: es geht vorwärts. Ich habe geschlafen. Zu Hause. Mit einem Trick. Ein erster Blick auf das Ende des Tunnels?
Einen Monat lang bin ich nun schon in der Klinik. Einen ganzen Monat. Nie hätte ich mir vorstellen können, vier Wochen in einer Psychoklinik zu verbringen. Vier Wochen „offiziell bekloppt“. Vier Wochen aber auch mit der verbissenen Hoffnung, dass es besser wird. Endlich. Und das setzt mich zunehmend unter Druck. „Nun muss doch endlich mal was positives passieren“, denke ich immer häufiger. „Ich will doch nur schlafen können zu Hause!“
Der ständige Kampf im meinem Kopf
Genau das ist der Punkt, an dem ich merke, dass ich immer noch nicht begriffen habe, worum es geht hier wirklich geht. Nicht darum, etwas zu schaffen, zu leisten, zu erreichen und etwas unter Kontrolle zu kriegen. Und erst recht geht es nicht um „schlafen können“. Ganz im Gegenteil: es geht darum, die Fähigkeit zu erlangen, Kontrolle abzugeben. Darauf zu vertrauen, dass die Dinge auch ohne meine Kontrolle gut werden. Erst recht beim Thema „Schlaf“ ist das so wichtig. Früher habe ich schließlich auch einfach geschlafen, ohne „verdammt noch mal“ einschlafen und dies erzwingen zu wollen.
Erst der Versuch, die Kontrolle darüber zu erlangen, hat alles zum Problem werden lassen. Ein Verhalten, das mich zurück gleiten lässt in meine Kindheit, in der wieder mein bedrohlicher Vater vor mir steht und mir vorwirft, dass ich sowieso nix schaffen werden, dass alles außer Kontrolle geraten wird und „der Zug abgefahren ist“ für mich. Aber wie um alles in der Welt schaffe ich es, statt immer mehr Kontrolle erlangen zu wollen einfach los zu lassen? Darauf zu vertrauen, dass sich meine kleine Welt auch ohne meine zwanghaften Kontroll-Versuche weiter drehen wird? Oder noch mehr: dass sie sich für mich erst dadurch weiter dreht, WEIL ich aufhöre, die Kontrolle haben zu wollen?

Der paradoxe Versuch, etwas zu bewegen
Am vergangenen Wochenende habe ich darum in Absprache mit meiner Therapeutin etwas sprichwörtlich paradoxes versucht: Paradoxe Intervention. So nennen Psychologen den Versuch, genau das Gegenteil von dem zu tun, was man eigentlich tun will. In meinem Fall ist die Aufgabe: Ich darf nicht schlafen. Auf keinen Fall. Statt dessen soll ich wach bleiben so lange es geht. Das Ziel: weg von der gedanklichen Fixierung auf „ich will schlafen, ich will schlafen“. Und so endlich die Kontrolle abzugeben. Leicht geschrieben, schwer getan.
Es ist Mitternacht, also Licht aus, Leselampe her, Buch raus, wach bleiben. Schon nach wenigen Minuten schlafe ich ein. Für eine halbe Stunde. Und bin wieder wach. Ich merke, wie ich mich ärgere. „Warum nur eine halbe Stunde? Verdammt!“ Ich fange an zu schwitzen, meine Haut kribbelt, mein Gedankenkarussel beginnt, sich zu drehen. Alles Symptome, an denen ich mittlerweile zuverlässig erkenne: Ich bin wieder in meiner Vergangenheit gelandet. „Stopp!“ denke ich. „Du bist kein Kind mehr mehr, Du bist erwachsen, du bist im hier und jetzt und nicht in deiner verschissenen Kindheit“. Ich greife wieder zum Buch und lese. Oder besser: versuche zu lesen. Immer wieder fallen mir die Augen zu und ich will schlafen. Sobald ich es versuche, klappt es nicht. Also: Weiter lesen. Vielleicht eine Stunde lang. Ich weiß es nicht genau. Ich schlafe ein – und fast komplett durch. Bis um 10 Uhr. Schon lange nicht mehr so viel geschlafen.

Wie geht's jetzt weiter?
Ich gebe zu, ich fühle mich nicht euphorisch. Eher zögerlich positiv. Ob das nächstes Wochenende auch wieder funktionieren wird? Und schon wieder ist es der falsche Gedanke. „Hör auf, kontrollieren zu wollen. Lass alles kommen, wie es kommt. Nichts daran ist schlimm und nichts ist ein Weltuntergang“. Ich merke: es ist gut, dass ich noch einen Monat in der Klinik bleiben werde. Das Ende des Tunnels ist noch ein Stück weit weg. Aber ich habe ihn das erste Mal gesehen.