Die wunderbare Welt der Angststörungen

Ich habe Angst!

Das klingt so locker. So alltäglich. So, als ob es nichts wäre, was man irgendwie besonders erwähnen müsste. Angst haben wir schließlich alle. Vor der Achterbahn, vor Spinnen, vor der nächsten Flugreise. Dass meine Angst anders ist, musste ich mühsam lernen. Meine Angst ist weit entfernt von dem, was Psychologen als „normalpsychologische Reaktion“ beschreiben. Also Reaktionen unserer Psyche auf auf ein Ereignis oder einen Reiz, die man „normal“, sprich: bei den meisten Menschen auftretend, nennen könnte.

Quelle: Pixabay / wokandpix

Warum groß darüber reden?

Die üblichen Ängste sind ganz normal bei uns allen. Sie sollen uns schützen und – so abgedroschen dieses Bild sein mag – sind ein Überbleibsel aus unserer Zeit, als wir uns vor Säbelzahn-Tigern in Sicherheit bringen mussten. Wenn Adrenalin in den Körper kickt, sich Muskeln anspannen, wir einen Tunnelblick entwickeln, wir anfangen zu schwitzen, dann macht sich unser Körper fluchtbereit, damit wir dem Tiger nicht als Abendessen dienen. Dass es keine Säbelzahn-Tiger mehr gibt hat unsere Körper- und Seelenkonstruktion irgendwie noch nicht so richtig verstanden.

Meine Angst ist kaum greifbar und immer wieder neu

Meine Angst hingegen sucht sich immer wieder neue, absurde Spielfelder. Mal ist es die Angst davor, Magenkrebs zu haben, weil mein Vater daran gestorben ist. Mal meine ich, irgendwelchen absurden Kribbelgefühle in meiner Brust zu spüren und renne zum Arzt, um mich durchchecken und von Physiotherapeuten, Osteopathen und Neurologen behandeln und weiter untersuchen zu lassen.

Dann entdecke ich plötzlich Herzrhythmus-Störungen, die sogar messbar sind. 14 Tage Krankenhaus und die private Krankenversicherung geben alles. Und finden: nichts. Oder besser: Nichts körperliches. Denn Angst hat, dessen Herz kann wirklich Herzrhythmusstörungen produzieren. Messbar, wenn auch ohne körperlichen Grund. „Funktionale Rhythmusstörungen“ heisst das dann.

Dann entwickele ich plötzlich Angst davor, nicht schlafen zu können und der bloße Anblick meines Bettes löst bei mir Fluchtreaktionen aus. Schweiß, erhöhte Herzfrequenz, rasende Gedanken. Eine besonders wunderbare Spielart meiner Angst, denn wer Angst hat, schläft mit Sicherheit nicht ein. Selbst erfüllende Prophezeiung von einer Seite, die so absurd ist, dass es zum Lachen wäre, wenn ich nur darüber lachen könnte.

Dabei "habe" ich doch "gar nichts"

Eigentlich aber ist mit mir alles in Ordnung. Mit meinem Herzen, meiner Brust, meinem Schlaf. Eigentlich. Oder besser: ich leide an nichts körperlichem. Mein Kopf ist da ganz anderer Ansicht. Er lässt all das, was ich „nicht habe“, real werden. Unsere Psyche ist ein wunderbares und mächtiges Ding. Es produziert Symptome von Dingen, die nur in unserem Kopf existieren. Für mich ist alles real, was ich gerade empfinde. Dann kann ich nicht unterscheiden zwischen „es ist wirklich“ oder „es ist nur in meinem Kopf“. Und wer könnte das schon? Gefühle sind eine große Macht in uns. Wenn tun, wenn wir ihnen nicht mehr trauen können?

Quelle: Pixabay / Myriams-Fotos

Real oder nicht?

Dieser Gedanke stellt etwas in Frage, was meine Grundfesten erschüttert hat: im Rest des Lebens sind wir uns sicher, „real“ von „irreal“ unterscheiden zu können. Für einen Menschen wir mich aber ist das bei Dingen wie zum Beispiel Körpergefühlen nicht mehr der Fall. Wie also leben mit einem Körper, dessen Psyche sich immer wieder neue Problemfelder ausdenkt, an deren Ende mir nicht mehr klar ist, ob etwas „wirklich“ existiert oder es „unwirklich“ nur in meinem Kopf entsteht. Eine Antwort? Hab ich noch nicht. Nur den Beginn einer Antwort: Ich muss akzeptieren, dass es zumindest die Möglichkeit gibt, dass es für etwas, das ich denke oder fühle keinen konkreten Anlass gibt, sondern dass gerade einfach mal wieder meine Psyche sich ein neues, lustiges Spielfeld erobert hat.

2 Kommentare

  1. Michael Haeser

    Zunächst passt der Titel der Website nicht wirklich. Wer diffuse Angst (Störungen) hat, ist absolut nicht bekloppt, Viele Menschen leiden auf die enge oder andere Art unter solchen Ängsten mit entsprechenden Begleiterscheinungen. Das wirst Du sicherlich gehört und/ oder gelesen haben.
    Es fragt sich nur, wie sehr belastet es den Alltag, die sozialen Kontakte, das berufliche Leben?
    Ich wünsche Dir, dass sich viele Betroffene hier melden und ihre persönlichen Erfahrungen miteinander teilen.
    Ich mache bald mit!
    Herzlichst
    MH

    • admin

      Lieber Michael. Das „bekloppt“ ist natürlich humorvoll gemeint … vielleicht muss ich das noch klarer machen. Danke auf jeden Fall für Dein Feedback.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

© 2025 Ich bin bekloppt!

Theme von Anders NorénHoch ↑