Es fühlt sich absurd an. Tür auf, Corona-Test machen, Zimmer beziehen. Und dann ist man plötzlich „drin“. In einer Klinik für psychosomatische Medizin, also für Patienten, deren seelische Probleme (Psycho…) sich auch körperlich (…somatisch) äußern. Genau wie bei mir: Was sich in meinem Kopf abspielt, produziert bei mir allerlei Krankheitssymptome und bringt mich sprichwörtlich um den Schlaf.
Die Klinik soll mir also weiter helfen. Und doch fühlt es sich absurd an, hier zu sein. In der „Klapse“. Das Wort ist abwertend und zudem noch falsch, denn das hier ist keine geschlossene Station für Menschen, die gefährlich für sich und für andere sind, sondern für Menschen wie mich. Die „minder schweren Fälle“. Das klingt niedlich, doch wenn mein Fall „minder schwer“ ist, dann will ich „richtig schwer“ gar nicht kennen lernen. So viel habe ich geweint, gelitten und war verzweifelt in den vergangenen Monaten. „Minder schwer“ fühlt sich das alles nicht an.
Die erste Nacht ist schrecklich. Neue Umgebung, unbekannte Gerüche und Geräusche, ein Krankenhaus für Psychos wie mich. Ich habe Schuldgefühle und spüre Scham, hier gelandet zu sein. Und trotzdem kann ich in der ersten Nacht erstaunlich gut schlafen. Besser als zu Hause in dem Bett, in dem ich so viele schwierige Nächte voller Verzweiflung erlebt habe. Eine unbelastet Umgebung – aber auch der Gedanke: schön und gut, aber was nützt mir das? Ich will doch wieder nach Hause und dort ebenfalls gut schlafen können. Später werde ich lernen: das hatte ich mir alles viel zu leicht vorgestellt.
Ich bekomme einen Wochenplan. Einzeltherapie, Gruppentherapie, Bewegungstherapie, Tanztherapie, Kunsttherapie. Das klingt genau so, wie ich es mir im Klischee vorgestellt habe. Nur diesmal bin ich selbst mittendrin. Und fühle mich lächerlich vor mir selbst. Da bin ich also. Gelandet in der Psycho-Mühle. Es folgen erste Gespräche mit meinen Therapeuten. Körperliche und seelische Untersuchungen. Und – nervig – alles, was ich vorher einer ambulanten Therapeutin ausführlich erzählt hatte, muss ich hier noch mal durchkauen. Anstrengend. Schnell wird mir klar: das hier ist kein „Sanatorium“ aus Filmen, in denen sich betuchte Damen und Herren gepflegt vom Stress des Lebens erholten und deren größte Anstrengung Maniküre und Pediküre sind. Das hier ist Arbeit. Mit einem strengen Zeitplan. Frühstück bis 8:10 Uhr (warum ..“10“ werde ich wohl nie verstehen). Also früh raus aus dem Bett. Lange rumlungern gibt’s nicht.

Ich habe große Probleme, hier gedanklich und emotional anzukommen. Die Klinik ist und in der gleichen Stadt wie mein Zuhause. Das klingt toll und praktisch, ist es aber am Anfang nicht. Gedanklich bin ich oft zu Hause, „dort drüben“, in meinem „alten Leben“. Ganz nah und trotzdem unerreichbar. Eine gewollte Entscheidung. Und trotzdem schwierig. Ich bin oft traurig in den ersten Tagen. Allerdings: Klinikplätze sind anders als Hotelzimmer. Wenn man einen kriegt, dann greift man zu und freut sich. Also muss ich irgendwie damit klar kommen. Sagt sich so leicht, ist es nicht. Zwei Wochen brauche ich, bis mein Kopf und mein Gefühl endlich „hier“ waren. Wie das wohl alles weiter geht?
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